Von Helmut Ohner 05.06.2023 – 18:15
In seiner letzten Runde der Superbike-TT gelang dem österreichischen Honda-Piloten Julian Trummer ein Meilenstein in der Geschichte der Tourist Trophy. Beinahe wäre es aber gar nicht dazu gekommen.
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Nach dem Markenwechsel von BMW zu Honda rechnete sich Julian Trummer gute Chancen aus, beim North West 200 ergebnistechnisch einen Schritt nach vorne zu machen. Es sollte allerdings anders kommen. Der 32-jährige Österreicher musste sogar auf die Rennen mit dem Superbike verzichten, weil sich beim Aufbau ein Fehler eingeschlichen hatte, der vor Ort nicht zu beheben war. Ein herber Rückschlag bei seiner Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt, die Tourist Trophy auf der Isle of Man.
Auch im Qualifying lief es vorerst nicht nach Plan. Wegen eines Motorschadens ging ein ganzer Trainingstag verloren, trotzdem konnte der Steirer seine persönlichen Rundenzeiten zweimal verbessern. «Die Jungs haben einen spitzen Job gemacht und den Motor aus meinem Motorrad ins Einsatzbike eingebaut! Jetzt werden noch die letzten Kleinigkeiten erledigt», spart er nicht mit Lob für die Mechaniker des WH Racing Teams.
Wie bei der Senior-TT geht das Superbike-Rennen auf dem Snaefell Mountain Course über sechs Runden oder 364,41 Kilometer. Zum Vergleich, in der MotoGP beträgt die Renndistanz nur etwa ein Drittel. «Es war wie erwartet ein langes, kräftezehrendes Rennen. Ich habe einen guten Rhythmus gefunden, musste aber rasch feststellen, dass die Wahl meines Hinterreifens für die ersten vier Runden alles andere als optimal war. Die Mediummischung hat viel Unruhe ins Bike gebracht.»
«In der zweiten Runde hatte ich in der Senke von Bray Hill bei knapp 290 km/h einen fetten Tankslapper. Danach habe ich mich darauf konzentriert, den Rest bis zum geplanten Reifenwechsel einigermaßen konstant und ruhig abzuspulen. Darüber hinaus habe ich mich auch körperlich zurückgehalten und meine Kräfte für die letzten zwei Runden aufgespart.»
«Nach dem Wechsel auf den weichen Hinterreifen ließ sich das Motorrad plötzlich wesentlich ruhiger bewegen und ich konnte meinen Rhythmus nochmals steigern. Dank Shaun Anderson, der mir vor dem Rennen noch gezeigt hat, wo sich für mich auf der Mountain Mile Zeit gutmachen lässt, konnte ich dort tatsächlich deutlich Zeit gewinnen!»
«Auf der letzten Runde hat das Benzinlicht bei Brandywell aufgeleuchtet und ich hatte schon Panik, dass es sich bis Start/Ziel nicht ausgeht», erinnerte sich Trummer an die Superbike-TT 2022, wo er knapp vor dem Ziel mit leerem Tank aufgeben musste, «deshalb habe angefangen früh zu schalten und nur noch Halbgas zu fahren. In den letzten beiden Sektoren habe ich damit sicher noch einiges an Zeit liegen gelassen. Mit den letzten Motorhustern habe ich mich über die Ziellinie gerettet.»
Die letzte Runde auf dem über 60 Kilometer langen Snaefell Mountain Course beendet Trummer nach 17:39,999 Minuten (Schnitt von 128,140 Meilen pro Stunde oder 206,211 km/h) an der 18. Stelle. Damit schrieb der Geschäftsführer einer Elektrofirma TT-Geschichte. Er löste nicht nur den in Liechtenstein lebenden Horst Saiger als schnellsten Österreicher bei der Tourist Trophy ab, er ist jetzt auch der schnellste Festlandeuropäer.
«Als mir gesagt wurde, dass es eine 128,1-mph-Runde war, war ich nur noch glücklich! Danke an alle fürs Daumendrücken, auch für den Support vor Ort!! Ich bin überwältig von diesem Zuspruch der Fans! Ein riesengroßes Dankeschön auch an das WH Racing Team, die das Motorrad perfekt vorbereitet haben. Für die restliche Woche ist jetzt der Druck draußen, aber wir haben noch zwei Superstock-Rennen und die Senior-TT. Das nächste Ziel ist die 130-mph-Schallmauer!»